Pfingsttreffen am 4.6.2022

Nach und nach finden sie sich ein, die Frauen und Männer, die an diesem Samstag vor Pfingsten ins
Bildungshaus nach Batschuns gekommen sind um
„auf dem Weg Jesu in diesen herausfordernden
Zeiten sich ermutigen zu lassen“. So verspricht es die Einladung und meine Neugier steigert sich

noch, als Erich vorfährt und zwei Puppen wie Kinder an uns vorbei ins Haus trägt.

Szenenwechsel: Die Puppen warte
n im Raum und wir setzen uns in einem großen Kreis um sie
herum. Wer sind die beiden Gestalten in ihren hübschen orientalischen Kleidern und was wollen sie

von mir?

Erich und Christian geben ihnen Stimme und Ausdruck. Da ist einmal Petrus, ursprünglich ein

Fischer vom See Genesareth. Er hat Jesus gekannt wie kaum ein zweiter und ist zum Wortführer der

Gruppe um den Rabbi geworden. Jesus und Petrus haben sich gut verstanden und man hat viel im

kleinen Kreis debattiert. In den Evangelienberichten ist aber auc
h von heftigen
Auseinandersetzungen die Rede und von tiefgreifenden Missverständnissen.

Ihm gegenüber steht Paulus. Er ist Jesus auf ganz andere Art begegnet, aber nicht weniger

existentiell. Eine lange und heftige Bekehrungsgeschichte hat aus einem Gegner
der jungen
Bewegung ihren großen Verkündiger gemacht und ihren ersten Theologen. Die beiden Männer

vertreten zwei unterschiedliche Richtungen in der Urkirche. Da ist der Schwerpunkt, den man auf

die Tradition legen kann und derjenige, der auf den grundsät
zlichen Sinn des christlichen Lebens
abzielt.

Nach einer Pause setzen wir uns wieder zusammen und überlegen, welcher Straßengraben uns als

einzelne mehr anzieht, das Bekannte in der Kirche, die Schönheit ihrer Liturgie oder das

Provozierende, das was gesc
hrieben steht oder das was damit gemeint ist. Wir stellen uns dorthin,
wo wir glauben uns angesiedelt zu haben in den meist langen Jahren seit unserer Kindheit. Die

Gruppe um Petrus wird weit größer als die um Paulus. Beheimatung in der Herkunft scheint un
s
sehr wichtig zu sein. Eine andere Antwort drängt sich uns 26 Frauen und 5 Männern auf. 16 von uns

sind gestandene Frauen vom Werk der Frohbotschaft Batschuns, 7 gehören dem Verein

Frohbotschaft.Heute an und drei zählen zur neuen Offenen Gruppe. Schön das
s sie gekommen sind
um die größere Gemeinschaft kennnen zu lernen. Von den 5 Männern haben heute 4 eine Funktion

bei uns wie Leitung, Stellvertretung und Gestaltung des Tages, sodass ein einziger Mann übrigbleibt,

der sich 24 Frauen gegenübersieht, die wie
er ohne zentralen Auftrag hierher gekommen sind. Für
Paulus gab es „nicht männlich, nicht weiblich“ (Gal 3,28). Unser Volk Gottes aber ist sichtbar

weiblich. Das ist nur eine Beobachtung.

Am Nachmittag lesen wir, wie die Frohbotinnen in ihrem Grundsatzpa
pier ihre Stellung zur Kirche
beschreiben. Da ist von Treue die Rede, aber auch von Vielfalt und Austausch. Der Aufbau der

Kirche soll Heimat für andere zum Ziel haben, soll ein Milieu der Hoffnung schaffen. Die Kirche

soll für die Armen auf der Welt sprec
hen und zusammen mit ihnen, aber auch für die Fernstehenden
da sein. Diese Ansprüche an die Kirche sind hoch, aber das Leiden an der konkreten Kirche kann

fruchtbar werden durch unseren eigenen Dienst.

In einzelnen Gruppen reden wir dann über das Gelesen
e und schreiben auf rote Flammen aus Papier,
was uns wichtig ist, sodass ein Bild entsteht oder eine Art reimloses Gedicht, das wir im

Gottesdienst vor den Altar legen.
Jede Zeile steht für ein Statement, der Lesbarkeit zu Liebe habe
ich sprachlich manchmal überleitende Wendungen benutzt, aber ich hoffe, die Gruppen werden ihre
Aussagen wiedererkennen:

-Wir sind als Gruppe überzeugt von der heilenden und befreienden Gegenwart Gottes und

wollen uns tragen lassen im Vertrauen auf IHN,
wir wissen uns beheimatet im neuen Volk Gottes.
-Wir sind überzeugt, dass Gott selbst aus der Not ruft und sollten nicht müde werden dem Wunder die Hand hinzuhalten (Hilde Domin).
-Wir wollen mündig Christ sein,
ein Milieu der Hoffnung leben und Jesu Geist in die Welt tragen.
-Nöte sind zu benennen um Solidarität möglich zu machen und
Spannungen gilt es durchzutragen statt ihnen auszuweichen.
-Trotz aller Unterschiede sollten wir beim anderen das Gute sehen,
es sehen, anerkennen und loben.
-Vielfalt ist Chance,
aber Spannungen zwischen Vielfalt und Einheit brauchen die Hilfe des Heiligen Geistes,
damit wir Verantwortung für die Menschen und mit ihnen übernehmen und
in Konflikten Wege der Verständigung suchen und finden.
-Zur Wahrheit zu stehen und zur Situation heute
heißt Versöhnung zu suchen.
-Und es braucht auch den Mut die eigenen Berufung zu sehen und
offen zu sein für das, was mir geschenkt ist.

Herbert Gassner

Zurück